Weil es ohne uns nicht geht #systemrelevant
Vor der Corona-Pandemie ist nach der Corona-Pandemie und mitten in der Pandemie gab es absolute Grenzerfahrungen im Pflegeberuf. Im Pflegeberuf waren wir am Ort des Geschehens, ob in der Akutklinik in der Herzchirurgie oder in einer AHB-Klinik für kardiologische Eingriffe, in welcher ich arbeite. In beiden Klinikformen sind frisch operierte Menschen mit Bypässen, Aortenklappen oder eine Aortenprothese. Direkt vom Brennpunkt OP mit der höchsten Ansteckungsquote kamen die Patienten in unsere Klinik.
Menschliche Begegnung mit Maske, kein Handschlag mehr und 1,5 m Abstand. Okay wenn ich ein Ruhe-EKG schreibe oder einem Patient eine Infusion anhänge, sind die Abstände niemals einzuhalten. Die Angst sich zu infizieren schleicht sich bei den meisten Mitarbeiter ein. Ein Arzt der Klinik wurde zum Pandemie-Experte erklärt und mehrmals wöchentlich tagte die Hygienekommision. Es wurden täglich neue Entscheidungen getroffen, wie das aktuelle Covid 19 Procedere in der Klinik stattzufinden hat.
Wir arbeiten immer am Limit und stehen plötzlich an vorderster Front. Einige Mitarbeiter entwickeln riesen Ängste und möchten am liebsten einen großen Bogen um ihren medizinischen Arbeitsplatz machen. Im Januar 2021 dann endlich die erste Impfung. Plötzlich gibt es in der Klinik zwei Lager die Geimpften und die Ungeimpften und die dritte Gruppe die Impfverweigerer. Es tritt eine menschliche Klassifizierung auf und Aufenthaltsräume werden mit der 2 G Regel versehen. Geimpfte und Genesenen dürfen Zusammensein in der Mittagspause. Die Einteilung der Mitarbeiter soll immer gleich sein pro Schicht, damit nicht auf einmal eine größerer Menge an Personal ausfällt.
Im Oktober 2022 war es soweit eine Kollegin und ich bekamen parallel Covid 19, eine andere Kollegin war sowieso Langzeitkrank und nicht präsent. Plötzlich war nur noch eine Mitarbeiterin da, welche erst 6 Monaten in meiner Abteilung arbeitet. Worst Case war da und trotzdem ging es irgendwie weiter. Durch diese prekärer Situation habe ich jetzt einen Homeoffice-Platz, um zu mindestens die terminlichen Themen in der Abteilung zu steuern.
Mit täglichen Antigen-Schnelltests und PCR-Abstrichen wurde der Virusnachweis zur Morgenroutine. Immer mehr Mitarbeiter der Klinik erkrankten an Covid 19 und sind mal kürzer oder länger ausgefallen. Die Personaldecke wurde immer dünner und gefühlt kamen die Patienten kränker an. So schnell wie möglich haben die frisch operierten Patienten die Akutklinik verlassen müssen und sind in unsere AHB-Klinik gelandet.
Fazit:
Persönlich liebe ich Herausforderungen und bin mit der Pandemie-Situation sehr gut zurecht gekommen. Es war ein großes Lernfeld für mich und was hat meine Mutter mir in der Kindheit immer wieder gesagt „Was mich nicht umbringt, macht mich stark“. Dieser Satz fand ich früher sehr hart, doch heute zeigt er mir, dass ich dadurch eine hohe Resilienz entwickelt habe.
Zum Teil sind wir in der Klinik unter den Mitarbeitern näher zusammen gewachsen und wir bekamen von der Klinikleitung maximale Sicherheit vermittelt. Vom Staat Bayern gab es eine ordentliche Corona – Prämie und die Patienten waren sehr dankbar, dass wir als Pflegepersonal sie wohlwollend und angstfrei versorgt haben.
Post Covid oder Long-Covid betrifft unsere Klinikalltag mehr denn je und der Coronavirus ist immer noch da. Ansteckenden Erkrankungen sind nichts neues unter der Sonne. Bereits ein kleiner Schnupfen mit den Rhinoviren ist durch Tröpfcheninfektion übertragbar. Ich bin ein absoluter FFP 2 Masken Verfechter und denke sie hat mich 2 Jahre bewahrt vor Corona.
Im Endeffekt habe ich mich nicht in der Klinik angesteckt, sondern mit Sicherheit von meinem Mann, der es sich am Arbeitsplatz eingefangen hat. Da tickte dann die Zeitbombe und ich konnte zum Glück die wesentlichen Themen am Arbeitsplatz regeln bis zum Ausbruch der Infektion.
Heute gehen wir ohne Maske und ohne Testprocedere wieder zum Arbeitsplatz. Es ist so schön wieder in die Gesichter der Kollegen und Patienten zu blicken.
Das Buch welches ich vorstelle handelt von einem Krankenpfleger der Zentrale Notaufnahme und wie er diesen Ort der Grenzerfahrung erlebt. Ein Profi, stellvertretender pflegerischer Leiter der Zentralen Notaufnahme mit zwanzig Jahren Berufserfahrung, öffnet die Tür dieses Grenzbereichs und gewährt Einblick. Ihm zur Seite ein Autor ohne jede medizinische Vorbildung, der in die Welt der Notaufnahme eintaucht und die Pfleger*innen und Ärzt*innen bei ihren Schichten begleitet.
Ihr gemeinsames Ziel?
Die Menschen zu porträtieren, die jeden Tag gegen das Chaos ankämpfen. Zu zeigen, welche Opfer dieser Kampf von ihnen verlangt, aber auch, weshalb sie ihn trotzdem immer wieder aufnehmen.
Die beiden ahnen nicht, dass sich im fernen Asien ein Sturm zusammenbraut, der die Gesundheitssysteme in Deutschland und weltweit an ihre Belastungsgrenzen bringen wird. Als sich COVID-19 schließlich in rasender Geschwindigkeit auch in ganz Europa ausbreitet, entwickelt sich die Zentrale Notaufnahme mehr denn je zum Brennpunkt des Geschehens.
Erschienen am: 06.08.2020 im Eden-Verlag